Im Juni 1810 wurde am Wiener Hofburgtheater Goethes Tragödie Egmont mit der Bühnenmusik op. 84 von Beethoven aufgeführt. Mit dem im Drama ausgedrückten Freiheitsgedanken konnte sich Beethoven zu diesem Zeitpunkt (1809 Schlacht bei Aspern) sehr identifizieren; so sehr, daß er für die Komposition der gesamten Bühnenmusik kein Honorar verlangte. Die Geschichte der Tragödie spielt im von Spanien besetzten Flandern. Graf Egmont ersehnt sich eine bessere Behandlung seiner Landsleute und zieht sich die Feindschaft des Herzogs von Alba, dem spanischen Gouverneur, zu. Egmont wird gefangen genommen und hingerichtet. Sein Tod läßt ihn aber posthum triumphieren – der Freiheitsgedanke lebt weiter und löst einen erfolgreichen Aufstand gegen die Unterdrücker aus.
Beethovens Ouvertüre beginnt in der finsteren Tonart f-moll mit einer langsamen Einleitung, in der mit schweren Staccatoschlägen im tutti wohl der spanische Sarabandenrhythmus angedeutet wird. Daß diese Akkorde gemeinhin viel zu lange ausgehalten werden, widerspricht nicht nur der Notation mit Staccatopunkten, sondern auch so manchem aufführungspraktischen Gesichtspunkt. Im Allegro besteht das rastlose erste Thema aus einer absteigenden Cellophrase und einem kurzen rhythmischen Motiv. Das zweite Thema ist eine schnellere Variante der Staccatoschläge aus der Einleitung. Gegen Schluß bricht die Musik mit einem Quartsprung in den Violinen dramatisch ab. Dieser Punkt wird gemeinhin mit Egmonts Hinrichtung gleichgesetzt. Plötzlich ändert sich die Tonalität nach Dur – die folgende Musik (in der Schauspielmusik mit „Siegessymphonie“ betitelt), unendlich spannungsvoll und eines der energiegeladensten Stücke im gesamten Repertoire, symbolisiert den Sieg der Freiheit.
Beethovens Erstes Klavierkonzert op. 15 (1795-1800) wurde eigentlich nach dem als zweites bekannten Konzert komponiert. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, daß er das zweite noch weiter korrigieren wollte und deshalb das C-Dur-Konzert op. 15 zuerst in den Druck kam. Der erste Satz (Allegro con brio) ist ein stark an Mozart angelehnter Sonatenhauptsatz (besonders erinnert sein Nur-Streicher Piano-Beginn an Mozart); obwohl sich auch hier schon durch sein übermütiges Beharren auf Synkopen etc. der spätere Personalstil Beethovens ankündigt. Beachtlich auch der abrupte Beginn des Seitensatzes in Es-Dur statt im gewöhnlichen G-Dur, in welches sogar korrekt moduliert wurde. Das Klaviersolo ist reich ausgearbeitet; es erscheint fast unglaublich, daß Beethoven für die Uraufführung ein um einen Halbton höher gestimmtes Klavier bekam und das Konzert ohne Probe einen Halbton tiefer spielen mußte… Der langsame Satz, ein Largo im romantisch weit entfernten As-Dur, verzichtet ganz ungewöhnlich auf Flöten und Oboen und verwendet als Blasinstrumente nur Klarinetten, Fagotte und Hörner – dadurch wird eine fast mystische Aura, ähnlich zum berühmteren fünften Klavierkonzert, erzielt; wüßte man es nicht besser, man ordnete dieses Stück Beethovens viel späteren „reifen“ oder gar „späten“ Stil zu. Das Rondo (Allegro scherzando) ist jedoch typisch für Beethovens frühen Stil – gut gelaunt, brilliant, frech, synkopiert, phantasievoll und voller Überraschungen ist es eine weitere Erinnerung, daß Beethoven nie auf sein späteres Bild vom „Titanen“ reduziert werden darf.
Nicolas Radulescu, Juni 2009